Welche Besonderheiten gelten für E-Learning in der Entwicklungszusammenarbeit?





 

 

 

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E-Learning in der Entwicklungszusammenarbeit stellt besondere Ansprüche. Auf die wichtigsten möchte ich hier eingehen.

Technische Infrastruktur

Um an einem E-Learning-Kurs teilzunehmen, braucht man folgende Dinge: Einen Computer mit Internetanschluss. Ist das nicht gegeben, kann man kein E-Learning machen. Daran ist leider nicht zu rütteln.

Auch die Zielgruppe, an die wir uns in der Entwicklungszusammenarbeit richten, muss online sein, was jedoch immer weniger ein Problem darstellt. Insbesondere in den Städten ist das Netz gut ausgebaut, die meisten Teilnehmer haben einen PC zu Hause oder können auf der Arbeit einen Computer nutzen.

Trotzdem funktioniert das Internet nicht unbedingt so zuverlässig, wie wir das vielleicht aus Deutschland gewohnt sind. Das liegt nicht nur an der geringeren Vernetzung, sondern auch daran, dass sich häufig viele Nutzer eine Leitung teilen müssen, dass der Internetzugang unverhältnimäßig teuer ist oder dass Stromausfälle auf der Tagesordnung stehen.

Das muss bei der Entwicklung von E-Learning berücksichtigt werden, zum Beispiel indem man auf kleine Dateigrößen achtet, eine Offline-Version des Kurses anbietet, oder das tutoriellen Betreuungskonzept auf asynchrone, also zeitunabhängige Kommunikation aufbaut (im Gegensatz zu synchroner Kommunikation, die zeitgleich abläuft, und die daher erfordert, dass ein Teilnehmer zu einer bestimmten Uhrzeit online sein muss).

Ganz neue Möglichkeiten bietet u.U. das sog. Mobile Learning,bei dem der Lernende die Inhalte nicht auf dem Computer, sondern auf einem mobilen Gerät wie z.B. einem Smartphone bearbeitet. Handys und Smartphones verbreiten sich für den Zugang ins Internet in manchen Ländern deutlich schneller als der Computer; Handynetze sind besser ausgebaut als das WLAN. Deshalb laufen bereits jetzt die ersten Versuche von Mobile Learning in der EZ.

Regionalisierung

Stellen Sie sich vor, Sie möchten einen kleinen Garten anlegen, und belegen zu diesem Zweck ein Online-Modul "Gartenbau". Voller Vorfreude auf frische Tomaten, saftige Gurken und knackigen Salat starten Sie das WBT - und stellen zu Ihrem Erstaunen fest: Sie erfahren hier alles über die Kultivierung von Tee, Bambus und Reis. Sofern Sie zu der stureren Sorte gehören, werden Sie vielleicht einen Versuch wagen und diese Gewächse in unseren Breiten anbauen, um vermutlich keine ertragreiche Ernte einfahren. Wenn Sie etwas pragmatischer ticken, werden Sie das WBT jedoch einfach abbrechen und sich woanders schlau machen.

Derselbe Mechanismus trifft auch auf unsere Lernenden zu. Bezieht sich der Kurs nicht in einem gewissen Maß auf die Lebenswelt der Teilnehmer, so wird er uninteressant. Selbst wenn die Kerninhalte für die Zielgruppe relevant sind, wird sie den Kurs nicht annehmen, wenn sie sich nicht wiederfindet. Das betrifft viele Aspekte eines Kurses, von der Auswahl der Fallbeispiele bis hin zur Illustration.

Vor der Entwicklung eines Online-Kurses sollte man sich daher die Frage stellen: In welcher Region oder in welchen Regionen wird der Kurs eingesetzt? Und die Inhalte entsprechend ausrichten.

Medienkompetenz und Lerngewohnheiten

Medienkompetenz und Lerngewohnheiten sind zwei Merkmale auf Seiten der Lernenden, die beim E-Learning unbedingt berücksichtigt werden müssen.

Mit Medienkompetenz meine ich hier vor allem die Kompetenz im Umgang mit dem Computer. Teilnehmer eines E-Learning-Kurses sollten souverän mit Computer und Internet umgehen können; das Recherchieren im Netz und das Versenden von E-Mails sollte sie nicht vor ein Problem stellen, sonst sind Schwierigkeiten bei der Bearbeitung eines Online-Kurses quasi vorprogrammiert.

Mit Lerngewohnheiten möchte ich den "gesellschaftlichen Lernstil" bezeichnen, der den Lerner geprägt hat. Für erfolgreiches E-Learning ist auf Seiten des Lernenden ein höherer Grad an Selbstorganisation erforderlich als bei der Teilnahme an einem Präsenztraining. Lernziele, Lernzeit, Lerndauer werden von ihm zum Großteil selbst definiert. In vielen Ländern ist Fortbildung jedoch ganz anders aufgebaut, teilweise sogar gegenteilig. Lernziele, Lernablauf, Lernzeiten werden dem Lerner exakt vorgegeben, häufig sehr viel strikter als wir es selbst aus der Schule gewohnt sind. Teilnehmern, die eine streng hierarchische Struktur auch beim Lernen gewohnt sind, fällt daher die selbstbestimmte Rolle u.U. besonders schwer. Um dem gerecht zu werden, empfehlen wir eine gute Vorbereitung der Lernenden auf das E-Learning, vorzugsweise als Präsenzveranstaltung, sowie vor allem zu Kursbeginn eine intensive, strukturgebende Betreuung durch den Tutor.

Zeitverschiebung und Sprache

Das geringste Hindernis beim Einsatz von E-Learning in der EZ ist die Zeitverschiebung. Dadurch dass alle Teilnehmer zu individuellen Zeiten lernen können, spielt es keine Rolle, dass in Jakarta die Sonne schon sinkt, während sie in Santiago de Chile erst aufgeht.

Eine Ausnahme sind "Events", die erfordern, dass mehrere Teilnehmer zeitgleich online sind, zum Beispiel Chats. In internationalen Kursen muss der Tutor u.U. dafür Sorge trage, dass a) keine Gruppe bedingt durch die Uhrzeit von Chats ausgeschlossen wird und dass b) der Start des Events klar kommuniziert wird (z.B. indem er die universale Weltzeit verwendet, oder indem er die Uhrzeit für alle am Kurs teilnehmenden Zeitzonen umrechnet).

Zur Sprache lässt sich ganz einfach sagen: Je besser die Teilnehmer die Sprache des Kurses beherrschen, desto mehr können sie sich auf den eigentlichen Inhalt konzentrieren. Passen Sie also auch sprachlich die Inhalte des Kurses an die Zielgruppe an - und achten Sie darauf, dass die Teilnehmer ausreichend Sprachkenntnisse für den Kurs mitbringen, sofern er nicht in ihrer Muttersprache vorliegt.

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